Gamsschrei

23. Oktober 2022
DSC 5146Dieser ruhige Anblick erwartet uns als wir sehr früh morgens vom Parkplatz an der Gunzesrieder Säge in Richtung Stuiben losmarschieren. Nichts als Stille und Dunkelheit umgibt uns und ich verlasse mich auf die Nasen der Wölfchen die mich den schmalen Weg entlang noch oben führen. So schleichen wir uns schweigend durch die wenigen Gassen und erreichen nach kurz darauf den Aufstieg zur Nagelfluhkette. Banu und Aiyana scheinen die Dunkelheit ebenso wie ich zu genießen und bewegen sich sehr ruhig und entspannt durch die taufeuchte Wiese in der die Hufabdrücke vom vergangenen Almabtrieb zahlreiche, mit Wasser gefüllte Löcher hinterlassen haben. Da werden wir heute Abend wieder interessant aussehen. Als sich am Horizont die ersten Sonnenstrahlen zeigen bleiben wir alle einen Moment stehen und bestaunen das sich uns bietende Schauspiel. Als wir schließlich unseren Weg still weiter verfolgen erscheint in den Bäumen ein goldener Schimmer der uns auf diesem Teil des Weges noch ein Stückchen begleiten wird. Die Natur hält schöne Überraschungen für uns bereit.


Zu irgendetwas muss das Fenster ja parallel eingebaut werden selbst wenn es nur die Dachschräge ist. Wir spazieren gerade über eine kleine Hochfläche am Hang der Bergkette als mir das äußerst interessant eingebaute Fenster ein Grinsen ins Gesicht zaubert. Banu und Aiyana suchen, während ich den künstlerischen Wert dieses Fensters bewerte, nach Spuren von Kühen. Irgendwo bimmeln da doch schon wieder die Glocken und die zwei spitzen die Ohren. Das liebe Vieh grast jedoch drunten im Tal – hier oben herrscht nur das Schweigen im Walde. Wie ausgestorben wirken die Häuser in der kleinen Ansiedelung. Dann jedoch hören wir ein seltsames Geräusch dass ich zuerst für einen rufenden Vogel halte. Später wird sich noch zeigen wer diese Töne von sich gibt. Die kleinen Markierungen weisen uns den weiteren Weg und wir drei müssen uns etwas anstrengen geht es jetzt auf dem schmalen Pfad doch sehr steil nach oben.


DSC 5146Auf dem folgenden Anstieg frieren die beiden Fellohren dann plötzlich ein und sie starren den Hang hinauf. Sie fixieren etwas das sich keine fünfzig Meter entfernt von unserem Weg, dort auf der kleinen Lichtung zwischen den Bäumen zum Grasen eingefunden hat. Die Gams mit einem Jungtier hat uns auch schon entdeckt und verharrt ebenso wie meine beiden. Banu, Aiyana und das Wildtier starren sich an gerade als ob jeder auf die erste Bewegung des anderen wartet. Ich ergreife schnell die Leinen der beiden, es scheint jedoch gar keinen Grund dafür zu geben. Nichts rührt sich – außer mir denn ich muss schnell zur Kamera greifen um das Bild festzuhalten. Und dann höre ich wieder dieses schrille rufen und tatsächlich, sie ist es die hier so herum schreit. Ich versuche die beiden Wölfchen davon zu überzeugen weiter zu gehen habe dabei aber keinen Erfolg. Erst als sich Mutter Gams samt Kind in den Wald zurück zieht ist auch für Banu und Aiyana der Moment gekommen die Szene zu verlassen. Also weiter hinauf, immer ein Auge auf den Waldrand gerichtet.


Und dann sind wir auf dem Grat angekommen. Banu hat schon so ihre Mühe die steilen, teils blanken Felsflächen hinauf zu kommen. Da muss ich schon ab und an mal etwas nachhelfen. Aber für ihr Alter ist sie noch sehr fit unterwegs – ohne dass sie sich am nächsten Tag nicht mehr rühren könnte. Das letzte Teilstück bis hinauf zur Bergspitze ist dann noch etwas anstrengend da wir hier die eine oder andere Stufe zu ersteigen haben. Und auch da benötigt Banu hin und wieder meine Unterstützung, die ich ihr gerne gebe. Am Gipfelkreuz des Stuiben angekommen legen wir uns alle drei ins Gras und erholen uns von den gerade vergangenen Strapazen. Wohl wissend dass bald die ersten Wandergruppen hier oben ankommen werden freuen wir uns umso mehr an der Ruhe die jetzt noch hier herrscht. Nach Speis und Trank und einem entspannten Rundgang packen wir dann wieder unsere wenigen Habseligkeiten ein und verabschieden uns von diesem Ort. Schon sind ein kleines Stück unter uns fremde Zweibeiner zu entdecken.


DSC 5146Mit einem letzten Blick hinunter ins Tal scheinen sich die beiden überzeugen zu wollen dass wir ungestört unseres Weges gehen können. Jede noch so kleine Bewegung erregt Aufmerksamkeit, nur nicht bei mir, dafür reicht meine Sehfähigkeit nicht aus. Es wundert mich nicht dass sich Wolf und Mensch einst als Jagdkumpane zusammen getan haben denn diesen Augen entgeht nichts was sich unter uns rührt. Wir folgen den lang gezogenen Schleifen des schmalen mit grobem Kies bedeckten Pfades der uns steil nach unten führt. Nur nicht ins Rutschen geraten auf dem lockeren Untergrund denke ich so bei mir als mir ein entgegen kommender Wanderer den Hinweis auf Gemsen unterhalb gibt. Banu und Aiyana sind noch ein Stück weiter oben unterwegs und schauen der Situation mit ausreichendem Abstand zu. Ein Blick nach unten in den Schatten den die Berge bereits werfen bestätigt dann die Aussage. Wiederum wohl Mutter Gams mit Jungtier aus diesem Jahr. Die Leinen fest in der Hand passieren wir die beiden, die sich durch uns nicht groß stören lassen.


Dann noch ein letzter Blick nach oben – hey ihr zwei, herkommen. Die etwas höher gelegene Ebene wandern wir wieder zu unserem Ausgangspunkt zurück. Und es ist wieder still geworden. Jetzt befinden sich die Langschläfer dort oben und wir hier unten auf dem Heimweg sind wieder alleine unterwegs. Als wir wieder am Parkplatz angekommen zeigt sich dieser nahezu voll und ich sehe die Bilder auf dem Gipfel vor mir wo sich jetzt einige Zweibeiner drängen werden. Da hat sich das frühe Aufstehen wieder gelohnt und sichtlich entspannt lade ich die Wölfchen wieder ins Auto und wir begeben uns auf den Heimweg.
Ob die Gams vom Aufstieg und die vom Abstieg die selbe war? Hier sind beide drauf da könnte man vergleichen.


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